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Wolfgang Keck      

Soziologe         

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Staat und Familie

Das Zusammenspiel von Staat und Familie wird in der soziologischen Theorie kontrovers diskutiert. Grob vereinfacht lassen sich zwei antagonistische Positionen gegenüber stellen. Für die eine Seite garantieren sozialstaatliche Maßnahmen, dass Familien ihre Fürsorgeaufgaben unter geänderten sozialen Bedingungen weiterhin erfüllen können. In dem der Staat Familien unterstützt und Familienaufgaben wie bei der Kinderbetreuung übernimmt, schützt er die Familie vor Überlastungen und wahrt damit den Zusammenhalt der Familie. In der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung werden diese Prozesse als Defamilialisierung bezeichnet.

Die andere Seite sieht den sozialstaatlichen Eingriff als Gefahr für die Familie. Wohlfahrtsprogramme entbinden die Familienmitglieder von ihren Fürsorgeaufgaben. Das Angebot staatlicher Leistungen bietet Anreize die familiale Unterstützung aufzugeben. Damit entstehen auf der einen Seite wachsende Kosten für den Staatshaushalt und auf der anderen Seite lösen sich die Beziehungen zwischen Familienmitgliedern und weichen formalen Sozialrechten, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht in dem Maße garantieren können, wie persönliche Bindungen. Mit der Substitution (Crowding out) der Familie durch den Sozialstaat werden die Fundamente gesellschaftlicher Kohäsion und zivilen Engagements brüchig.

Ein Teil meiner Forschungsarbeiten beschäftigte sich damit, die Kontroverse theoretisch aufzuarbeiten und empirische Belege für die eine oder andere Seite zu finden. Die wesentlichen Einsichten sind:

  • Sozialpolitische Maßnahmen und gesetzliche Regelungen tragen nicht nur dazu bei Familien zu entlasten, sondern schreiben die Verantwortungsbereiche der Familie fest. Dadurch wird die Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern mit bestimmt und Geschlechterungleichheiten nivelliert oder verfestigt.
  • Eine Entlastung der Familie durch staatliche Leistungen ist per se noch kein Indiz für schwindende Familienbeziehungen und eine Entsolidarisierung. Es bedarf empirischer Studien, die das Zusammenspiel zwischen Staat und Familie untersuchen. Für unterschiedliche Verantwortungsbereiche - Kindererziehung, Pflege, finanzielle Unterstützung - kann es unterschiedliche Wirkungsweisen geben. Statt eindimensionale Theorien wären differentielle Betrachtungsweisen und empirsche Studien besser angebracht.
  • Wenn es eine Verdrängung der Familie gibt, so ist es verkürzt allein den Staat als Verursacher des Übels zu nennen. Denn staatliche Leistungen füllen oft nur die Lücken, die durch geänderte Lebensverläufe und ökonomische Zwänge entstehen.
Buch Das Thema steht auch im Mittelpunkt des zusammen mit Jens Alber und Agnes Blome geschriebene Buchs: Generationenbeziehungen im Wohlfahrtsstaat.
Buch Wie die Generationenpolitik in den Europäischen Staaten ausgestalten ist beschreibt die von mir mit entwickelte Multilinks Database on Intergenerational Policy Indicators.

Weitere Veröffentlichungen zum Thema:

Keck, Wolfgang und Chiara Saraceno (2013). The Impact of Different Social-Policy Frameworks on Social Inequalities among Women in the European Union: The Labour-Market Participation of Mothers. Social Politics 30(3): 297-328.

Wolfgang Keck und Chiara Saraceno (2012). Multilinks Database on Intergenerational Policy Indicators. Schmollers Jahrbuch. Zeitschrift für Wirtschafts und Sozialwissenschaft. 132(3): 453-462.

Keck, Wolfgang und Chiara Saraceno (2011). Towards an integrated approach for the analysis of gender equity in policies supporting paid work and care responsibilities. Demographic Research 25(11):371-406, (Stand: 3. Jan. 2013).

Saraceno, Chiara und Wolfgang Keck (2010). Can we identify intergenerational policy regimes in Europe. European Societies 10(5):675-696, (Stand: 3. Jan. 2013).

Saraceno, Chiara und Wolfgang Keck (2009). The institutional framework of intergenerational family obligations in Europe: a conceptual and methodological overview. Multilinks Project, (Stand: 3. Jan. 2013).

Dykstra, Pearl A., Wolfgang Keck, und Chiara Saraceno (2009). Legal and policy frameworks regulation intergenerational obligations. Multilinks Policy Brief no. 1, (Stand: 3. Jan. 2013).

Keck, Wolfgang (2008). The relationship between children and their frail elderly parents in different care regimes. In Intergenerational relations, Hrsg. Chiara Saraceno, pp. 147-169. Cheltenham: Edward Elgar.

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